Wenn Weisheit auf moderne Neurologie trifft

Veröffentlicht am 04.04.2025
Wenn Weisheit auf moderne Neurologie trifft
Harald Drebor

Autor

Harald Drebor

daoDi Editor

Wie die traditionelle Rezeptur Tian Ma Gou Teng Yin neue Hoffnung für Parkinson-Betroffene bringt

Die Parkinson-Krankheit ist kein Fremdwort mehr – weder in der Neurologie noch im Alltag. Zittern, Muskelsteifheit, verlangsamte Bewegungen und das schleichende Gefühl, dass Körper und Geist nicht mehr dieselbe Sprache sprechen: Für Millionen Betroffene weltweit ist Parkinson ein täglicher Begleiter. Zwar hat die moderne Schulmedizin mächtige Waffen wie Levodopa im Repertoire, doch mit der Zeit zeigen sich Grenzen – Nebenwirkungen nehmen zu, die Wirkung lässt nach.

Zeit also, über den Tellerrand hinauszuschauen. Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) bietet hier spannende Impulse, insbesondere durch die bewährte Kräuterformel Tian Ma Gou Teng Yin (TMGTY). Diese Rezeptur, seit Jahrhunderten in China im Einsatz, erlebt gerade ein Comeback – wissenschaftlich fundiert und integrativ gedacht.


Parkinson verstehen – im westlichen und östlichen Sinne

Die westliche Sicht: Wenn Dopamin verschwindet

Parkinson entsteht vor allem durch den schleichenden Untergang dopaminerger Nervenzellen in der Substantia nigra, einer Region tief im Gehirn. Gleichzeitig sammeln sich fehlgefaltete Eiweiße (α-Synuclein) zu sogenannten Lewy-Körperchen – mit fatalen Folgen für die Motorik und das emotionale Gleichgewicht.

Die Hauptsymptome? Klassisch: Tremor, Rigor, Bradykinesie. Doch auch Depression, Schlafprobleme oder Störungen der Verdauung gehören dazu – Symptome, die die Lebensqualität oft stärker beeinträchtigen als das Zittern selbst.

Die TCM-Sicht: Wind, Yin und Blockaden

In der Welt der TCM trägt Parkinson das Etikett „innerer Wind“ (Gan Feng), eine poetische Beschreibung für unkontrollierbare Bewegungen und Unruhe im Körper. Dahinter verbergen sich häufig drei zentrale Muster:

  • Leber-Yang-Anstieg – äußert sich in Tremor, Nervosität, Schlaflosigkeit.

  • Nieren-Yin-Mangel – bringt Schwäche, Steifheit und Konzentrationsprobleme.

  • Blutstase oder Schleimblockaden – führen zu langsamen, unkoordinierten Bewegungen.

Die Therapie zielt deshalb nicht nur auf ein Symptom, sondern auf das ganze energetische Ungleichgewicht. Und genau hier setzt TMGTY an.


Tian Ma Gou Teng Yin – Rezeptur mit Tiefgang

Diese Rezeptur ist ein Paradebeispiel für die Komplexität und Raffinesse der TCM. Sie kombiniert 10 sorgfältig ausgewählte Heilpflanzen, die synergistisch wirken:

  • Tian Ma (Gastrodia elata) – beruhigt inneren Wind, reduziert Tremor.

  • Gou Teng (Uncaria rhynchophylla) – senkt aufsteigendes Yang, wirkt antioxidativ.

  • Eucommia (Eucommia ulmoides) – stärkt Nieren-Yin, fördert Stabilität.

  • Polygala (Schlafbeere) – beruhigt das Shen, also den Geist, bei Schlaflosigkeit oder Ängsten.

Und was sagt die Forschung?

Ein Blick in die Labore zeigt: Die Wirkstoffe dieser Kräuter haben tatsächlich spannende Eigenschaften.

  • Gastrodin (aus Tian Ma) schützt Nervenzellen, reduziert oxidativen Stress und hemmt übermäßige Erregung durch Glutamat.

  • Alkaloide aus Gou Teng wirken antikonvulsiv und modulieren GABA-Rezeptoren – also genau dort, wo auch viele moderne Medikamente ansetzen.

  • Eucommia stimuliert die Produktion von BDNF – einem Wachstumsfaktor, der Nerven stärkt und regeneriert.

Tierstudien an Parkinson-Modellen zeigten bereits: TMGTY reduziert den Verlust dopaminproduzierender Zellen und verbessert Beweglichkeit.


Integrativ statt alternativ – TCM als Teamplayer

Mehr als Ergänzung zur Schulmedizin

In der Praxis zeigt sich, dass TMGTY keine Konkurrenz zur Levodopa-Therapie ist, sondern eine smarte Ergänzung:

  • Kombination mit Levodopa: Erste Hinweise deuten darauf hin, dass durch TMGTY die Levodopa-Dosis reduziert werden kann – was das Risiko für Spätkomplikationen wie Dyskinesien senkt.

  • Nicht-motorische Symptome: Gerade Schlafstörungen und Angstzustände sprechen gut auf die beruhigenden Komponenten der Rezeptur an.

Klinische Daten sprechen für sich

Eine chinesische Pilotstudie (Zhang et al., 2018) mit 60 Parkinson-Patient:innen zeigte: Nach 12 Wochen TMGTY zusätzlich zu Levodopa verbesserten sich die Symptom-Scores (UPDRS) um rund 30 % – deutlich mehr als in der Kontrollgruppe. Auch eine Metaanalyse aus 2021 kommt zu dem Schluss: TMGTY verbessert Tremor und Lebensqualität signifikant, auch wenn die Studiendesigns noch sehr heterogen sind.


Sicherheit & Nebenwirkungen – was gibt’s zu beachten?

Natürlich ist auch TCM kein Selbstläufer. Manche Bestandteile wie Gou Teng können den Blutdruck senken – bei Patient:innen mit Antihypertensiva sollte man also aufpassen. Auch mögliche Interaktionen mit CYP3A4-Enzymen(wichtig für den Abbau von Levodopa) erfordern Aufmerksamkeit.


Forschung mit Zukunft – das Beste aus zwei Welten

  • Standardisierte Extrakte und qualitativ hochwertige Placebo-kontrollierte Studien.

  • Methoden, die TCM-Diagnostik (Zungen- und Pulsanalyse) mit westlicher Forschung verbinden.

  • Und: Studien, die mithilfe von Biomarkern und KI individuelle TCM-Muster messbar machen.

Gerade KI-basierte Netzwerkpharmakologie könnte helfen, die Mehrziel-Wirkungen von TMGTY besser zu entschlüsseln – ein echtes Zukunftsfeld!

Tian Ma Gou Teng Yin ist mehr als ein Relikt aus alten Zeiten. Es ist eine Brücke zwischen Kulturen, zwischen traditioneller Heilkunst und moderner Medizin. Besonders bei der Behandlung von Tremor und nicht-motorischen Beschwerden wie Schlafstörungen bietet die Rezeptur großes Potenzial – wissenschaftlich nachvollziehbar und klinisch relevant.

Wenn integrative Medizin mehr sein will als bloß ein Schlagwort, dann ist TMGTY ein Paradebeispiel dafür, wie Ost und West voneinander lernen können. Und wer weiß: Vielleicht ist genau dieser Dialog der Schlüssel zu einer neuen Ära personalisierter Parkinson-Therapie.

daoDi Briefing

Kostenfrei abonnieren und TCM Nachrichten erahlten

Weitere Artikel aus dieser Kategorie